Gefahr durch Hitze beim Pferd: Warum sie gefährlicher ist als Kälte
- Andreas Barabaß - Tiertherapeut
- vor 14 Stunden
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 15 Minuten
Pferde stammen ursprünglich aus offenen, oft kargen Steppenlandschaften, in denen sie extremen Witterungswechseln und großen Temperaturunterschieden ausgesetzt waren. Diese Herkunft hat dazu geführt, dass sie über sehr effektive Mechanismen zur Regulierung ihrer Körpertemperatur verfügen. Diese Fähigkeit zur Thermoregulation beim Pferd ist ein zentraler Faktor für die Gesundheit – und funktioniert umso besser, je natürlicher das Pferd gehalten wird. Trotzdem greifen viele Pferdehalter bei sinkenden Temperaturen vorschnell zu einer Decke oder stellen das Pferd in den Stall, obwohl Kälte meist weniger problematisch ist als Hitze.
Wie Pferde mit Kälte umgehen
Gesunde Pferde kommen mit Kälte in der Regel sehr gut zurecht. Die natürliche Thermoregulation funktioniert umso besser, je ursprünglicher und robuster das Pferd gehalten wird. Bewegung, frische Luft, Zugang zu einem trockenen Unterstand und eine artgerechte Fütterung sind dabei die wichtigsten Grundlagen.

Die Wohlfühltemperatur für Pferde liegt, entgegen weitverbreiteter Meinung, nicht bei milden 15 bis 20 Grad Celsius, sondern bei Werten zwischen -10 °C und +20 °C. Die meisten Pferde fühlen sich im Bereich von 0 °C bis 15 °C am wohlsten. In diesem Temperaturfenster muss der Organismus am wenigsten Energie aufwenden, um seine Kerntemperatur konstant zu halten.
Die Fähigkeit zur Regulierung der Körpertemperatur hängt unter anderem von Rasse, Alter, Gesundheitszustand und Haltung ab. Robustrassen mit dichtem Winterfell sind deutlich unempfindlicher gegenüber Kälte als feingliedrige Sportpferde. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass die meisten Pferde mit mitteleuropäischen Wintern gut zurechtkommen – solange sie nicht krank, geschwächt oder sehr alt sind.
Die wichtigste sichtbare Reaktion auf Kälte ist das Wachstum eines dichten Winterfells. Dieses besteht aus langen Deckhaaren und einer feinen Unterwolle. Über sogenannte Haarbalgmuskeln kann das Pferd die Haare je nach Witterung aufstellen oder anlegen. So entsteht ein isolierendes Luftpolster zwischen Fell und Haut. Dieser Mechanismus funktioniert nur bei Pferden, die nicht dauerhaft eingedeckt sind. Wird das Tier über Wochen hinweg mit einer Decke versehen, „verlernt“ der Körper diesen wichtigen Schutzmechanismus – mit der Folge, dass er bei plötzlichem Temperaturabfall nicht mehr angemessen reagieren kann.
Neben dem Fell spielt auch die Haut eine Rolle bei der Isolation. Pferdehaut ist relativ dick und verfügt über eine schützende Fettschicht. Zusätzlich produziert der Körper über Stoffwechselvorgänge Wärme, die im Gewebe gespeichert wird. Bei Kälte verengen sich außerdem die Blutgefäße in der Haut (Vasokonstriktion), um den Wärmeverlust über die Körperoberfläche zu reduzieren.
Warum Hitze zum größeren Problem wird
Im Gegensatz zur Kälte stellt Hitze eine deutlich größere Belastung dar. Der Körper eines Pferdes hat nur begrenzte Möglichkeiten zur aktiven Abkühlung. Vor allem in den Sommermonaten zeigen viele Tiere Anzeichen von Hitzestress beim Pferd. Die normale Körperkerntemperatur liegt bei etwa 38 °C. Schon geringe Anstiege können den Zellstoffwechsel stören. Steigt die Temperatur über 38,5 °C, droht Überhitzung – insbesondere, wenn ein Pferd schwitzt stark, sich dabei wenig bewegt oder kaum Wasser aufnimmt.
Ein Pferd bei Hitze abkühlen zu können, ist deshalb eine zentrale Aufgabe im täglichen Management. Der wichtigste körpereigene Kühlmechanismus ist das Schwitzen. Dabei wird Wärme über die Hautoberfläche abgegeben. Der Kühleffekt entsteht durch Verdunstung – besonders effektiv bei trockener Luft.
Ein 500-kg-Pferd verliert schon bei 20 °C und moderater Bewegung rund einen Liter Schweiß pro Stunde. Bei starker Belastung oder sehr hohen Temperaturen kann es bis zu 35 Liter in wenigen Stunden verlieren. Pferdeschweiß enthält jedoch nicht nur Wasser, sondern auch zahlreiche lebenswichtige Substanzen.
Was enthält Pferdeschweiß?
Pferdeschweiß besteht nicht nur aus Wasser, sondern auch aus wichtigen Mineralstoffen und anderen Substanzen. Neben Wasser (99 %) enthält er:
Natrium, Kalium, Chlorid
Calcium, Magnesium
Harnstoff, Ammoniak, Kreatin
Laktat (als Abbauprodukt aus dem Stoffwechsel)
Bicarbonat, Lipide, Cholesterin
Vitamin C, Zucker
Dermicidin (ein körpereigener Schutzstoff mit antibakterieller Wirkung)
Der pH-Wert von Pferdeschweiß liegt im Normalfall zwischen 5 und 7. Gesunder Schweiß ist geruchlos. Bei krankhaften Prozessen, Stress oder Schmerzen kann sich die Zusammensetzung und auch der Geruch verändern.
Neben der Kühlfunktion hat der Schweiß auch eine entgiftende Wirkung. Über ihn werden Stoffwechselprodukte ausgeschieden, der Säureschutzmantel der Haut wird stabilisiert, und die Regulation des Elektrolythaushaltes unterstützt. Schwitzt ein Pferd jedoch über einen längeren Zeitraum stark, gehen dabei erhebliche Mengen an Elektrolyten verloren – und genau das kann zum Problem werden.
Warum Elektrolyte so wichtig sind
Elektrolyte sind elektrisch geladene Teilchen (Ionen), die in allen Körperflüssigkeiten vorkommen. Sie haben keine Energie liefernde Funktion, sind aber für fast alle Körpervorgänge essenziell. Sie sorgen unter anderem für:
Reizweiterleitung zwischen Nerv und Muskel
Regulation des osmotischen Drucks in den Zellen
Steuerung des Wasserhaushaltes
Stabilisierung des pH-Wertes im Blut
Aufrechterhaltung der Muskelfunktion
Ein Pferd mit Elektrolytmangel zeigt typische Symptome: Leistungsabfall, Muskelzittern, Unruhe, in schweren Fällen sogar Kreislaufprobleme oder Nierenschäden. Besonders kritisch wird es, wenn ein Pferd durch Hitzestress weniger trinkt – denn dann sinkt die Aufnahme von Flüssigkeit zusätzlich.
Besonders gefährlich ist es, wenn das Pferd in der Folge auch noch weniger trinkt – was oft als natürliche Schutzreaktion eintritt, um die noch vorhandenen Elektrolyte im Körper nicht weiter zu verdünnen. Diese Kombination aus Flüssigkeits- und Elektrolytverlust kann lebensgefährlich werden.
Schon ein Schweißverlust von 5 bis 10 Litern reicht aus, um die Leistungsfähigkeit um bis zu 20 % zu senken. Dabei muss es sich nicht einmal um extremes Training handeln. Bereits warme Tage mit leichter Bewegung können bei empfindlichen Tieren zu einem relevanten Mangel führen.
Wann sollte ich meinem Pferd Elektrolyte geben?
Die Gabe von Elektrolyten ist sinnvoll, sobald es zu überdurchschnittlichem Schweißverlust kommt oder die Außentemperaturen dauerhaft hoch sind. Auch bei besonderen Belastungssituationen, wie Transporten, Turnieren, langen Ausritten oder Stallwechseln, sollte man an eine gezielte Versorgung denken.
Ein einfacher Salzleckstein reicht dabei nicht aus. Er besteht in der Regel nur aus Natriumchlorid, also Kochsalz und enthält kaum andere wichtige Mineralstoffe. Kalium, Magnesium und Calcium fehlen fast vollständig.
Elektrolyte sollten vor allem gegeben werden:
bei starkem Schwitzen an heißen Tagen
nach Belastungen (z. B. Training, Distanzritte, Turniere)
vor besonderen Belastungen (z. B. Turniere, Transporte)
bei Erkrankungen mit Durchfall, Fieber oder starkem Stress
bei Kotwasser, Stoffwechselstörungen oder längerer Rekonvaleszenz
bei dauerhafter Hitze in Offenstallhaltung
Wichtig ist auch der Zeitpunkt: Ideal ist es, Elektrolyte bereits vor einer zu erwartenden Belastung zu füttern, also 12 bis 24 Stunden vorher. Ebenso sollten sie in den ersten Stunden nach der Belastung verabreicht werden, um Verluste schnell auszugleichen. Bei länger andauernden Hitzewellen oder täglichem Training können Elektrolyte auch regelmäßig über das Futter oder das Trinkwasser ergänzt werden.
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